Textbilder

In Anlehnung an die asiatische Schrift- und Bildkultur arbeitet Frohberg zusammen mit der Grafikerin Susanne Stetzer seit 2012 an verschiedenen Text-Bild-Projekten, die die Grenze zwischen Text und Bild, öffentlichem Raum und privater Notiz, Irritation und Information überschreiten.

I Der Ansatz
Es darf gefragt werden: Gehört ein Text - jeder Text - überhaupt in ein Buch?
Jede Topografie eines Textes musste sich bisher in Seiten zerlegen lassen. Ob kurz oder lang, rhythmisch oder melo­disch, melancholisch weit oder piepsig stockend, zusammen­gehörig oder zerpflückt, impressionistisch oder totalitär, klas­sisch oder modern: Das Buch schreibt dem Text seine Form vor.

Für einen poetischen Text kann das eine Zumutung sein: Ein poetischer Text ist ein Ganzes – und wenn er zerteilt ist, dann weil er genau das sagen möchte, nicht, weil das Blatt dort endet. Ein poetischer Text entfaltet seine Wirkung in der Zeit, in einer Dauer, die nicht der Dauer des Lesens entspricht. Ein poetischer Text bedarf der Beschäftigung, des Spaziergangs in der Sprache. Er stellt ein Feld auf – in dem man sich umsehen kann. Er bedarf einer gewissen Entwicklung, Aufwicklung, Freilassens seiner Bezüge. Worte und Klänge wollen gegeneinander, gegen den anderen und gegen sich selbst gerieben werden... nachschwingen. mitgenommen werden ...

Das heißt: Ein poetischer Text braucht eigentlich eine Größe, die seine ist, einen Ort, wo er einem im Vorbeigehen streifen kann, der Satz sollte für den Satz wach machen, seine Farben sollten klingen... Er wird also am besten ein Bild, das auf sinnlicher Ebene dem Ausdruck gibt, was da auf sprachlicher Ebene geschieht oder geschehen kann... ein Bild, das den Text interpretiert, wie ein Musiker die Noten.

II Der Aufruf
Wirklich: Haben uns nicht lange genug die Texte den Buchrücken zugedreht und auch wir wollten nichts mehr von ihnen wissen? Und beginnt das Problem, sich aus den Augen zu verlieren, nicht schon viel früher? Man schlägt die Seite um - und schon sind die gerade gelesenen Sätze weg. Möchte man sie sich nochmal vor Augen halten, muss man wieder zurückblättern. Dann aber geht einem dort vorne etwas verloren. Ja, Bücher sind eine tolle Sache - aber können wir unsere Lesegewohnheiten nicht etwas mehr öffnen?

Ach! Gib dem Geist Gelegenheit, sich mit den Worten zu beschäftigen! Lass sie auf dich zukommen! Häng sie an die Wand! Und hast du genug davon - häng sie einfach wieder ab!
Für eine neue Kulturtechnik des Lesens, die Lesschau, ist genau die richtige Zeit!

III Die Reihe
Das „Zeitalter der technischen Reproduzierbarkeit“ beginnt, mit dem Buchdruck. Die Lettern werden nicht mehr gemalt. Das spart Zeit und Zeit ist Geld.
Es interessiert nicht, wie schön es sein kann, einen Buchstaben zu malen.

Von den technischen Möglichkeiten ihrer Vervielfältigung aber sind Bilder und Schriften heute schon lange gleich auf. Wieso sollten wir trotzdem noch daran festhalten, dass das eine nur das eine und das andere nur das andere sein kann? So wie man ein Bild vervielfältigen kann, kann man auch einen Text wieder vereinmaligen! Mit der gleichen Bewegung, welche die Kunst zwingt, ihren Wert angesichts der Möglichkeiten ihrer technischen Reproduzierbarkeit neu zu bestimmen, kann sich umgekehrt auch der Text endlich wieder vom Buchdruck emanzipieren - und werden was er ist!

Derzeit liegen die Textbilder, Trauma, 2013 und Freiheit, 2003-2013, als Siebdrucke vor.
Die Siebdrucke werden von der Autorin Johanna Frohberg und der Grafikerin Susanne Stetzer selbst, also per Hand, in geringer Auflage hergestellt.
Die Farben kann man auf dem Papier tasten. Sie werden für jeden Text und jede Auflage entsprechend angemischt und sind, zum Einen durch die individuelle Anmischung, zum Anderen durch Varianten beim Auftragen, nicht genau reproduzierbar.

Jedes Objekt ist durchnummeriert, signiert und ein von den anderen seiner Reihe abweichendes Einzelstück.

Die Siebdrucke sind mit Stangen am oberen und unteren Rand des Blattes ausgestattet. Dies erlaubt ein leichtes Aufhängen an der Wand. Es genügen dazu zwei Nägel, die sich in einem einigermaßen stimmigen Abstand zueinander befinden. Die Stange am unteren Rand ermöglicht durch ihr Gewicht ein glattes Aushängen des Papiers. Das Papier variiert, ist Spezialpapier und u.A. zum Rollen geeignet.

Gesamtkonzept: © Johanna Frohberg